Der Leuchter

- am 19. September 2004 in unserer Kirche eingeweiht

Bildrechte beim Autor

- geschaffen im Auftrag des Kirchenvorstandes von Hamit Cordan (geb. 1953 in Ohrid, Mazedonien, lebt seit 1963 in Deutschland, seit 1985 in Wolfratshausen. Studium der Malerei und Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München, viele Gruppen- und Einzelausstellungen, Bühnenbilder, Fassadenpreis der Stadt München, ...)

- hergestellt aus einer Aluminium-Platte, bezogen auf das Kreuz und die Leuchter der Passionskirche

- geschnitten aus einem Stück – aus einer Scheibe - entsteht eine plastische Figur, Arme greifen aus in den Raum, umgreifen und halten wie Arme, die wir jemandem entgegenstrecken, empfangend, schützend – hier ist Raum für alles, was wir ablegen wollen

- ganz individuell stehen Lichter, an Stellen, die Menschen für sich aussuchen – und doch gehören alle zusammen, wie wir in der Gemeinde, wie wir in der einen Welt. Alle Teile kommen aus der einen Metallplatte

- es entsteht ein Raum, doch ist die Kugel nicht hermetisch abgeschlossen. Sie erschöpft sich nicht in dem, was wir hineinbringen, was wir ausdrücken können und verstanden haben. Da ist immer noch Mehr – Gott sei dank

- es entsteht nicht nur eine Ansicht, aus verschiedenen Blickwinkeln sieht man unterschiedliches, Perspektiven verändern sich durch die eigene Bewegung, durch die Benutzung

- und die Aussparungen des Leuchters lassen ein Kreuz erkennen. In diesem Kreuz liegt die Hoffnung und Zuversicht unseres Gebets begründet – darauf laufen alle Leuchterarme zu

 

Ein Gebet ist etwas sehr persönliches, an keine Form, an keinen Ort gebunden. Doch ein Ort – wie unser Leuchter - und eine Form – wie die Kerze - kann eine Hilfe sein.

Eine Kerzenflamme zieht unseren Blick an, sie hilft, zur Ruhe zu kommen und sich zu sammeln. Die Kerze zentriert mich, konzentriert meine Gedanken – was wichtig ist, ist jetzt und ist hier.

Im Gebet bekommt das was ist Ausdruck, es wird sagbar, greifbar. Das, was mir auf dem Herzen ist, hat nicht mich im Griff, ich habe es im Wort.

Die Kerze kann ein sichtbares Symbol dafür sein: da ist etwas, etwas Wichtiges. Da ist Dank, der Form bekommt; da ist Freude, die hier sichtbar wird; da ist Sorge, die einen Ort braucht. Lebendig wie diese Kerzenflamme ist Wichtiges in mir.

Im Gebet kommt das, was mir auf dem Herzen ist, nicht einfach „nur heraus“, es kommt zu Gott. Er ist es, den es angeht, der sich zuständig gemacht hat für mich. Gott darf ich in die Hand geben, was ich allein nicht tragen kann, nicht tragen will.

Die Kerze gebe ich aus der Hand, stelle sie ab. Dem, was mir auf dem Herzen liegt, gebe ich einen Ort außerhalb meiner selbst – ich darf abgeben, loslassen, Gott in die Hand geben.

Mein Gebet rechnet mit Gott und seiner Gegenwart, seinem Wirken in der Welt, auch gegen den Augenschein. Im Gebet vertraue ich darauf, dass das was ist, nicht alles ist.

Auch dafür kann die Kerze Symbol sein – wie viel kann so eine kleine Kerzenflamme doch bewirken: Licht in der Dunkelheit, das wärmt und ausstrahlt, das einläd und wärmt. In aller Dunkelheit ist sie die lebendige Hoffnung und ein Versprechen: es wird nicht immer dunkel bleiben.

Der Leuchter ist ein besonderer Ort, an dem viele, persönliche Gebete zusammenkommen. Auch wenn ich die einzelnen Gebetsanliegen nicht kenne, ich bin hier mit meiner Hoffnung nicht allein. Die Menschen und ihre Gebete tragen und unterstützen sich – und meins gehört dazu.

Und wenn ich gehe, dann brennt meine Kerze weiter. Mein Gebet hat Wirkung, auch über den unmittelbaren Augenblick hinaus. Unser Gebet verfliegt nicht wie ein Rufen im Wind, von Gott haben wir das Versprechen, dass er unsere Bitte und unseren Schmerz hört wie unseren Dank, unsere Freude, unser Lob.

 

Einladung zum Gebet

Es ist gut, wenn ich mir auf dem Weg durch die Kirche einige Augenblicke Zeit nehme, um zur Ruhe zu kommen und über mein Leben nach zu denken. Ich möchte eine Kerze anzünden. Mit diesem Gebet wende ich mich an Gott:

Mein Herr und Gott,
meine Kerze ist nichts Großes.
Ich habe sie angezündet und vor Dich
hingestellt. Denn ich möchte für einige
Augenblicke still werden, innehalten,
bei Dir bleiben.

Manches geht mir durch den Kopf:
die Sorgen und Probleme,
die mich zur Zeit beschäftigen,
die Menschen, die mir nahe stehen,
all die Anliegen, die ich heute habe.
Vieles erhoffe ich für mein Leben.
Und manchmal habe ich auch Angst.

Herr,
ich kann nicht lange hier in der Kirche verweilen.
Mit dem Brennenlassen dieses Lichtes soll ein
Stück von mir selbst hier bleiben, das ich
Dir schenken möchte.

Ich bitte Dich:
Segne alle, die mir am Herzen liegen.
Segne mich - an diesem Ort,
wo Menschen seit vielen Jahren
Dich suchen und zu Dir beten.
Von Dir gesegnet,
lass mich dann ein Segen sein für andere. Amen

Evang. luth. Passionskirche, München, Tölzer Str. 17