vom 28.02. - 09.03.2020 nach Kampanien
Freitag, 28.02.2020
Nach Kampanien soll 's geh'n,
daß wir Italiens Süden seh'n.
Fast hätten wir die Fahrt verschoben;
denn auf der ganzen Welt grassiert
eine fiese Art Mikroben.
Die Medien hab'n 's kolportiert,
stündlich die Sau durch 's Dorf getrieben.
Manche sind zu Haus' geblieben.
Mit Reisesegen ausstaffiert,
hoffen wir, daß nichts passiert.
Hinter dem Etschtal geht 's bergauf,
auf urzeitliche Moränen hinauf,
von dort ist die Poebene zu erblicken,
am Horizont des Apennin Berge und Rücken,
sie nehmen die sinkende Sonne auf.
Als Etappenziel fahr'n wir Coreggio an,
wo die Gruppe im Hotel übernachten kann.
Lambrusco gibt 's zum Abendbrot,
frizzante molto, trocken und dunkelrot.
Ein Maler, der vor rund fünfhundert Jahren
hier gelebt und gearbeitet hat,
gab sich selbst den Namen der Stadt.
So läßt sich bis heute sein Andenken wahren.
Samstag, 29.02.2020
Interessant war, zu erfahren,
wie vor hundertsiebzig Jahren
Reisende auf Touren waren,
nämlich mit dem Ochsenkarren.
Statt Robert gab es starke Treiber,
verwildert und mit wirren Haaren,
in braunen Jacken ihre Leiber,
auf den Köpfen spitze Mützen;
Stöcke trugen sie wie Degen,
um die Ochsen anzuregen,
nicht Erschöpfung vorzuschützen.
Inzwischen geht es mit dem Bus,
der durch viele Tunnel muß,
von Bologna nach Süden hin,
Richtung Florenz durch den Apennin.
Der Weg mündet in die Toscana ein.
Pinien breiten ihre Kronen
über alten Häusern aus;
darin läßt es behütet sich wohnen,
so jedenfalls suggeriert es der äußere Schein.
Arno und Tiber sind uns're Begleiter,
sie fließen schließlich ins Mittelmeer weiter.
Die Berge bilden lange Ketten,
dazwischen führt der Weg durch 's Tal,
durch Provinzen reich an Zahl
mit historisch bedeutenden Stätten
für Religion, Politik und Kultur.
Der Frühling weckt jetzt die Natur:
Reiher, Stare, Nebelkrähen
gibt es unterwegs zu sehen,
Schafe mit ganz jungen Lämmern,
die mittags in der Sonne dämmern;
es blühen Pfirsichbaum und Schlehen.
Ab Rom fängt der wahre Süden an
mit seinen Palmen und Kakteen.
Bald erhebt sich der Vesuv,
der altehrwürdige Vulkan,
den der Erde Inneres schuf.
Früh abends kommen wir in Cava de' Tirreni an,
im Hotel Victoria in zentraler Lage,
einem Haus von Stil und Herrschaftlichkeit.
Man empfängt uns mit herzlicher Freundlichkeit.
Hier bleiben wir für die nächsten Tage,
zu unseren Zielen ist es nicht weit.
Sonntag, 01.03.2020
Zur Autobahn wollen wir am Morgen.
Der Bus ist breit, die Straßen sind schmal,
die Baumkronen ausladend überall.
Ein älterer Herr erkennt uns're Sorgen,
er lotst uns auf die Straße der Wahl,
wobei er sich um das Hupkonzert
der anderen Autofahrer nicht schert.
Der Stamm der Osker hat wohl die Stadt Pompeji erdacht,
Etrusker, Griechen und Römer haben sie sich später zu eigen gemacht.
Sie prägten sie durch ihre Kulturen,
dabei hinterließen sie bauliche Spuren.
Im Jahr 63 gab es ein Erdbeben,
durch das die Stadt schweren Schaden nahm.
79, nur sechzehn Jahre danach,
als der Wiederaufbau kaum zu Ende kam,
geschah es, daß der Vesuv ausbrach.
Asche regnete es in einem Schub,
die die Stadt metertief unter sich begrub.
So erlosch in ihr urplötzlich jegliches Leben.
Auch wenn es makaber sich präsentiert:
genau dadurch wurde die Stadt konserviert.
Die Hohlräume, die die Toten hinterließen,
konnten Forscher später mit Gips ausgießen.
So erhielten sie deren exakte Konturen.
Bis heute können die Funde uns geben
Auskunft über damaliges Leben.
Der Wunsch, auf den Vesuv zu fahr'n,
blieb uns leider unerfüllt;
der Berg war in dicke Wolken gehüllt.
Zum Trost gab 's Picknick an der Autobahn.
Ferdinand IV. war zwar König,
doch er war schlicht und brauchte nur wenig.
Vor dem höfischen Leben hat ihm gegraut,
es war zu pompös, es war ihm zu laut.
Das riesige Schloß, das sein Vater gebaut
in Caserta, das behagte ihm nicht.
Das Fischen, das Jagen, so geht der Bericht,
nur das liebte er, noch nicht einmal Frauen.
Außerhalb ließ er ein Schlößchen sich bauen,
an einem entlegenen, ruhigen Ort,
hier spann er seine Ideen fort.
Er machte sich gern mit den Menschen gemein,
wollte einfach einer von ihnen sein.
Um seine Borgo di San Leucio herum
entstanden eine Seidenfabrik und Häuserreihen,
um den Fabrikarbeitern Wohnraum zu verleihen.
Heute sind die Häuser Privateigentum.
Das Zusammenleben hat Ferdinand sozial reguliert,
durch ein fortschrittliches Regelwerk organisiert.
Nach Casertavecchio versuchten wir noch zu gelangen,
doch hatten wir uns in engen Gassen verfangen.
Einmal mehr stellte sich Robert als Meister heraus,
er beschädigte nicht ein einziges Haus.
Auch wenn nicht alles verlaufen sein mag
wie geplant, es war doch ein schöner Tag.
Montag, 02.03.2020
Die Geschichte Neapels, kurz erzählt,
verlief ähnlich wie bei anderen Städten.
Die Herrschaften lösten einander ab,
Griechen, Römer, Staufer, Bourbonen,
sie alle wollten mal oben thronen,
wie sie gerad‘ siegten und sich vermählt,
wie die Ereignisse sich verketten,
wie das eine das andere gab.
Der Kreuzgang des Klosters Santa Chiara
ist reich geschmückt mit Majolika
am Boden, auf Säulen und auf Bildern,
die Szenen an Land und zu Wasser schildern.
Bäume auf Flächen, symmetrisch gelegen,
tragen reichen Zitrusfruchtsegen.
Der Dom birgt ein Baptisterium,
das bezeugt das frühe Christentum
und gilt als das älteste seiner Art.
Mosaiken sind fragmentarisch bewahrt.
Arme, Reiche und Mittelschicht,
aus welchen Ländern auch immer sie stammen,
leben auf engem Raum dicht bei dicht
im heutigen Neapel zusammen.
Als Armenviertel gelten die Bassi
mit Gassen, nur wenige Meter breit.
Einzimmerwohnungen überwiegen,
das Leben erfolgt in der Öffentlichkeit.
Die Hunde gehen oft selbständig gassi.
In kleinen Läden gibt 's große Zitronen
von je fast einem Kilo Gewicht.
Motorroller, die um die Ecke biegen,
tun dies mit hoher Geschwindigkeit.
Die Mittagspause geriet zur Qual:
aus nächster Nähe ertönte drei Mal
für je zehn Minuten ein Alarmsignal,
dazu ständiges Knattern und Hupen der Roller;
alles, was Lärm macht, alles, was stinkt,
summiert sich hier, daß nach Atem man ringt.
Zum Glück überstanden wir 's ohne Koller.
Dienstag, 03.03.2020
In Paestum steh'n drei antike Tempel,
die hielt sogar Goethe anfangs für Krempel,
bis er die Augen sich öffnen ließ
und sie dann voller Inbrunst pries.
Vor Christus ab dem 600. Jahr
gründeten Griechen Poseidonia.
Für sie war es eine Kolonie,
mit den Einheimischen teils stritten sie.
Die drei Tempel entstanden in zweihundert Jahren,
ob sie Athene, Hera und auch Zeus
oder wem sonst gewidmet waren,
darüber sind sich die Forscher nicht eins.
Die Fronten der Tempel weisen zum Meer,
zeigen Reisenden Macht und Reichtum her.
Wofür sonst stellte man sich solche Bauten hin?
Für religiöse Feiern waren sie ohne Sinn.
Dann verlief es wie von woanders bekannt,
die Römer gewannen die Oberhand.
In der Kunst des Tempelbaus
stieß man auf den Eckkonflikt,
architektonisch besonders verzwickt.
Für das Problem fand man keine Lösung heraus,
so ist die Weiterentwicklung versiegt.
Einen Sarkophag hat man gefunden,
darin ein Gemälde, das zeigt, wie ein Mann
aus großer Höhe, den Kopf nach unten,
springt von irgendwo herab.
Vielleicht brachte das ihn einstmals ins Grab.
„Das Grab des Tauchers“ hieß man es dann.
Durch Cilento geht 's an der Küste entlang,
die Straße ist kurvig, das Meer ist blank.
Die Natur hat alle Register gezogen,
Sonne, Wind und Regenbogen,
am Strand ein schäumender Wellengang.
Kampanien ist die Gegend der Büffelherden.
Aus der Milch der Bufala
die Mozzarelle hergestellt werden;
nirgends schmecken sie besser als da.
Mittwoch, 04.03.2020
Ein langobardischer Eremit,
den es in die Einsamkeit zieht,
sucht Schutz unter einem Felsendach,
errichtet dort ein kleines Gemach.
Daraus wird eine Benediktinerabtei,
es kommen immer mehr Menschen herbei,
Cava de' Tirreni entsteht als Stadt im Gebiet.
Gebaut ist das Kloster fast vertikal
aus Mangel an Quadratmeterzahl.
Für die gesamte Infrastruktur
war der Platz nur knapp bemessen:
Räume zum Schlafen, Beraten und Essen,
Kirche, Friedhof, Keller und Flur,
sogar ein Kreuzgang ward nicht vergessen.
In Salerno gibt es ein gutes Mahl
bei freundlichen Menschen in deren Lokal.
Es geht zu, wie wir es lieben
in Familienbetrieben:
Papa kocht und hat die Leitung,
Mama serviert, der Sohn liest Zeitung.
Der Dom ist fast tausend Jahre alt,
wurde mehrmals verändert in seiner Gestalt.
Hier fand Papst Gregor VII. sein Grab.
Steigt man in die Krypta hinab,
findet man mit Reliquien einen Schrein,
die sollen vom Evangelisten Matthäus sein.
Donnerstag, 05.03.2020
Im 6. Jahrhundert entstand Sant' Angelo in Formis
auf dem Fundament eines Dianatempels als Basis.
Die Abtei ist mit reichlich Fresken versehen,
die seit tausend Jahren dort verharren;
an den Wänden bis zum Giebel
gemalte Szenen aus der Bibel:
so konnten auch die die Geschichten verstehen,
die des Lesens unkundig waren.
Der Volturno verläuft zwischen Südreich und Norden,
so ist 's im Mittelalter gesehen worden.
Eine Brücke mit einem mächtigen Tor,
einst von Friedrich II. errichtet,
führt über den Fluß nach Capua.
Beides wurde durch Bomben vernichtet,
die Brücke ersetzte man fast wie zuvor,
vom Tor sind nur die zwei Sockel noch da.
In Capua vetere das Amphitheater
steht als Ruine wie ein Krater.
Für die unteren Etagen,
die das Gebäude müssen tragen,
nahm man massive, große Blöcke.
Oben, für die hohen Stöcke,
für das Geformte und das Feine
verwendete man Ziegelsteine.
Was damals in der Arena geschah,
als sie noch in Benutzung war,
ist im Museum dargestellt,
durch Exponate und Bilder erzählt.
Freitag, 06.03.2020
Nach Amalfi ist nur eine Straße frei,
die ist schmal, da paßt unser Bus nicht vorbei.
Stattdessen besuchen wir Benevent,
das auch noch nicht jeder von uns kennt.
Morgens will die Welt zerfließen
im Regen, daß Sturzbäche sich ergießen
des Busses Windschutzscheibe herunter;
wir starten optimistisch und munter.
Santa Sophia, ein Rundbau, auf Säulen gestützt,
wurde um 760 schon als Kirche benützt.
Im Museo del Sannio nebenan
bewahrt man antike Funde geschützt,
die man in Ruhe bewundern kann.
Die Samniten waren wehrsame Leute,
sie zwangen die Römer unter das Joch.
Schließlich besiegten die Römer sie doch,
so wurde Benevent deren Beute.
Nachdem sich die Regenwolken verzogen,
besichtigen wir den Trajansbogen.
In Stein gemeißelt steht oben zu lesen,
wie ruhmreich der römische Kaiser gewesen,
welche Wohltaten er für Menschen und Staat
vollbracht und sich dadurch verewigt hat.
Ein langobardisches Kirchlein, aus Feldstein gemauert,
hat als Bauernhaus lange Zeit überdauert.
San Ilario ist das Kirchlein geweiht,
drumherum sind Mauerreste verstreut.
Erst vor kurzem wurde es restauriert,
zur Besichtigung öffentlich präsentiert.
Wilhelm von Vercelli, ein frommer Mann,
machte auf seinem Weg ins Heilige Land
bei Avellino hoch in den Bergen Station.
Während dessen hatte er die Vision,
er solle dort bleiben in der Mission,
die Irpinier zu nehmen bei der Hand,
zu führen sie neu an den Glauben heran.
Um 1120 ist das geschehen
und damit begann,
daß das Kloster Monte Vergine konnte entstehen.
Samstag, 07.03.2020
Um 750 v. Chr., einem fernen Jahr,
kamen erstmals Griechen nach Italien her
und gründeten Cumae nahe am Meer.
Wenig später geschah es dann,
was für lange Zeit üblich war,
Samniten wollten an die Siedlung heran.
Die Schlachten wurden taktisch eingefädelt,
gern haben Feldherrn Orakel befragt.
Als gottgewollt wurde ihr Handeln veredelt,
das Gemetzel war also legitimiert,
so begannen sie Kriege unverzagt,
das gläubige Volk wurd' an der Nase geführt.
Eine Grotte in Cumae, die Erzählung geht um,
soll gedient haben der Sibylle als Heiligtum,
einer Seherin, die Klartext sprach, legendär;
oder nutzte den Tunnel das Militär?
Beides ist denkbar, es fehlen Beweise,
deshalb äußern die Forscher sich lieber nur leise.
In Pozzuoli, auf Vulkangelände,
fand ein Serapistempel sein Ende.
Die Säulen, die davon übrig geblieben,
werden langsam in die Höhe getrieben,
dann wohl auch wieder abgesenkt
unter den Wasserspigel ins Meer.
Der vorige Zyklus ist lange her,
momentan wird die Ruine nach oben gelenkt.
Drei Säulen weisen Bohrlöcher auf,
deutliche Spuren von Meerestieren,
an Stellen, die hoch in die Lüfte ragen,
die den Wasserstand markieren,
wie er war in vergangenen Tagen.
Sonntag, 08.03.2020
Weil die bereits erwähnten Mikroben
unverdrossen weitertoben,
sind wir von Corregio abgeschnitten.
Die geplante Hotelübernachtung fällt aus,
wir versuchen, während der Fahrt zu dösen.
In Verona besteigt noch ein Fahrer den Bus,
um Robert am Steuer abzulösen,
der sich von der Arbeit ausruhen muß.
In einem durch haben wir die Rückfahrt bestritten,
so kommen wir einen Tag früher nach Haus.
Robert war stets Herr aller Lagen:
die Straßen, ganz egal wie schmal,
egal, wie weit die Balkone ragen,
wie eng die Kurven, die Pässe, wie steil,
die Einfahrt zum Parkplatz, egal wie klein,
wieviele Autos im Halteverbot
die Durchfahrt für den Bus blockierten,
mit ein Mal hupen hat er vier auf einmal vertrieben,
ließ sie in alle Richtungen auseinanderstieben;
welche Dinge auch immer sonst noch passierten,
Robert brachte alles ins Lot,
und draußen wie drinnen blieb alles heil.
Außerdem servierte er hingebungsvoll
zweierlei Würstchen mit Pfisterbrot,
Kaffee und Gebäck, wie waren sie fein;
in so einer Obhut fühl'n wir uns wohl.
Eine harte Prüfung war diese Tour,
Robert meisterte sie mit Bravour.
© Ingrid Hecker